Das Ladenlokal in der Neuköllner Karl-Marx-Straße 141 sieht aus, als sei ein Manufactum-Warenhaus frontal mit eine Filiale von Conny’s Container kollidiert und explodiert: Emaillierte Blecheimer und Gießkannen stehen auf dem Boden neben quietschbuntem Plastikspielzeug und burlesk handbemaltem Porzellan. An der Wand hängen hölzerne Axt-, Hammer- und Spatenstile in Petersburger Hängung, auf einer Kleiderstange neonfarbene Berufsbekleidung für Polizei- und Katastrophenkräfte. Dazwischen immer wieder Plüschpuppen des Zeichentrick-Maulwurfs “Krtek”, bekannt aus der „Sendung mit der Maus“. Unvoreingenommen lokale Laufkundschaft, die durch Zufall in den zum „Le Grand Magasin“ umfunktionierten Teil des Saalbaus Neukölln stolpert, dürfte sich mit Fug und Recht wundern, was eine handgefertigtes Puppenbett aus Frankreich (Moulin Roty, 100 €), eine Mohnmühle mit Saugfuß aus der Slowakei (Slovenská l’udová majolika, 29 €), eine Italienische Designerkommode (COEF, 1500 €) und eine Geschirrspülautomat aus dem Baskenland (Fagor, 443,50 €) miteinander zu tun haben. Das fehlende Bindeglied ist, dass diese Produkte und alle anderen hier ausgestellten und zum Verkauf stehenden aus der Produktion von Genossenschaftsbetrieben – die meisten davon in Osteuropa – stammen. Zusammengetragen hat die „Leistungsschau europäischer Produktivgenossenschaften“ der Künstler Andreas Wegner.
Wie beim Genossenschaftsgedanken selbst, der um eine demokratische und solidarische Ökonomie kreist, geht es bei diesem vom Kulturamt Neukölln, der Kulturstiftung des Bundes und der EU geförderten Kunstprojekt nicht zuvorderst um Profitmaximierung und Abverkauf. Wegner geht es um exemplarische Bewusstmachung: „Einer Ware sieht man nicht an, wie sie produziert wurde“, heißt es auf der hübsch gestalteten Website. Zwar legten die Verbraucher neuerdings Wert darauf, dass die Milch von glücklichen Kühen stammt, „im allgemeinen entscheidet man sich jedoch nicht für ein Produkt, weil die Produzenten eine angenehme Arbeit haben.“ So disparat, wie das Spektrum der kompilierten Produkte ist dabei auch die Interpretation von Genossenschaft in den einzelnen Fällen und Ländern; angefangen von der Landkommune bis hin zur Wohnbaugenossenschaft. Von daher hat „Le Grand Magasin“ auch weniger die Rechtsform im Blick, als allgemein „alternative Formen des Handelns, der Produktion und des Konsums“, weswegen etwa auch das Strike Bike aus Thüringen vertreten ist, obwohl dahinter inzwischen eine GmbH steht. Ich verlasse die Ausstellung, die in den Räumen noch bis zum 19. Februar läuft, mit einem Einhandschaufelbagger „Nakladač“ in lindgrünem Plastik (Směr, 6,80 €) und einem Wellenschliff-Obstmesser „Trend“ (KDS, 9,40 €) – sowie dem guten Gefühl, ein paar Kollektivarbeiter in Tschechien der Utopie von der guten Arbeit im Kapitalismus ein Stück näher gebracht zu haben.
Erscheint so oder ähnlich auch in der Berliner Zeitung
21. April 2009 - 17:59
bulresk -> burlesk
Danke. HF
3. Februar 2011 - 05:45
Heftig, ich hätte never ever für möglich gehalten dass dies in der Realität auch wirklich funktionieren könnte :)